Die Briten haben die Zusammenfassung ihres Weißbuchs zum Brexit übersetzen lassen. Die Ausführungen in den 23 übrigen Amtssprachen der Europäischen Union, sollten der Regierung Sympathiepunkte bei EU-Ländern einbringen. Schließlich ist das Vereinigte Königreich bei den Verhandlungen auf dessen Entgegenkommen angewiesen. Die Übersetzung des Papiers vermittelte allerdings peinliche Inkompetenz, da die Verantwortlichen einige Fehler übersehen haben.
Das sogenannte Weißbuch mit 104 Seiten enthält alle aktuellen Vorschläge für die Austrittsverhandlungen mit der EU. Um die Stimmungslage positiv zu prägen und den europäischen Noch-Partnern entgegen zu kommen, ließ die Regierung die Zusammenfassung vom britischen Foreign Office in alle Amtssprachen der Europäischen Union übersetzen. Für das Ergebnis der Arbeit ernteten die Briten umgehend Spott aus mehreren Ländern, so die Neue Zürcher Zeitung online. Während für „Vereinigtes Königreich“ in der kroatischen Übersetzung beispielsweise ein völlig veralteter Begriff zum Einsatz kam, etikettierten die Übersetzer die deutsche Version des Weißbuchs mit „Deutsche“ und nicht mit „Deutsch“, wie es korrekt gewesen wäre. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Laut Brexit-Ministerium Kleinigkeiten, welche für die Textsubstanz nicht entscheidend seien.
Das Bagatellisieren seitens der Briten hilft aber wenig, da die Fehler im Text den Eindruck von inkompetentem Vorgehen vermitteln. Nicht gerade das, was London derzeit braucht. Dass die Übersetzungen des Dokuments zur Korrektur muttersprachlichen Linguisten vorgelegt wurden, darf stark bezweifelt werden. Doch genau diese Sorgfalt wäre angesichts der Bedeutung des Inhalts mehr als angebracht gewesen. Bei angesehenen Übersetzungsbüros, darunter der zertifizierte Sprachdienstleister Global Voices, dessen Auswahlverfahren für Linguisten der ISO-Qualitätsnorm 9001:2015 entspricht, ist ein Korrekturlesungsprozess durch Muttersprachler selbstverständlich. Nicht zu vergessen, dass es sich qualifizierte Übersetzer nicht leisten können, derartige Fehler zu machen und die entsprechenden Sprachen bereits perfekt beherrschen müssen. Das dieses Qualitätsniveau bei einer Institution wie Foreign Office offensichtlich nicht gegeben ist, wirft berechtigte Kritik auf. Immerhin: Korrekturen wurden bereits angekündigt.
Eine weitere Panne ereignete sich, als Brexit-Minister Dominic Raab seine Stellungnahme im britischen Unterhaus verlesen wollte. Viele Abgeordnete zeigten sich empört, weil einige britische Journalisten das gespannt erwartete Weißbuch vor ihnen ausgehändigt bekamen. Das Chaos schien perfekt. Die lautstarke Empörung der Parlamentarier löste eine ungeplante Verteilaktion des Papiers aus. Das Fiasko wurde bedauert, eine Unterbrechung der Sitzung war allerdings unvermeidbar.
Eine Option: Antrag auf Verlängerung der Austrittsverhandlungen
Über zwei Jahre nach dem Referendum hat die britische Regierung mit ihrem Weißbuch einen Plan für den Brexit vorgelegt. Enthalten sind viele Details, aber nicht alle Fragen werden beantwortet. Grundsätzlich klärt das Dokument, dass mit dem EU-Austritt zwar die vom Volk verlangte Kontrolle über Geld, Grenzen und Gesetze zurückerlangt werden soll, neue Beziehungen zur Europäischen Union aber angestrebt werden. Unter anderem will Großbritannien eine Freihandelszone. Hindernisse im Warenverkehr bei Lebensmitteln, Gütern und Agrarprodukten wollen die Briten nicht. Zollunion und Binnenmarkt hingegen kehren sie den Rücken. Stattdessen wird ein gemeinschaftliches Zollgebiet vorgeschlagen.
Der ausschlaggebende Punkt, der viele Briten dazu veranlasste, für den EU-Ausstieg zu stimmen, ist die Einwanderung. Im Weißbuch wird zwar betont, dass die Übergangsfrist 2020 endet, dennoch soll es Unternehmen künftig möglich sein, Fachkräfte ins Land zu holen. Wie geforderte Vereinbarungen im Detail aussehen sollen, um vorübergehend einreisende Studenten, EU-Bürger und Touristen Visafreiheit zu gewähren, bleibt offen.
Brüssel reagierte bislang zurückhaltend. Die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU scheinen sich erneut zu verzögern. Momentan steht die alles entscheidende Frage im Raum, welche der beiden Parteien zuerst nachgibt. Die EU fürchtet durch Regelungslücken nachhaltig geschwächt zu werden, die Briten müssten Regeln und Zahlungen akzeptieren, die sie bislang vehement ablehnen. Fest steht, dass jetzt die Schadensbegrenzung im Fokus steht und Großbritannien in eine produktive Verhandlungsphase starten muss. Ende März 2019 ist nicht mehr weit. Womöglich wäre ein Antrag auf Verlängerung der Austrittsverhandlungen die beste Option, um wertvolle Zeit zu gewinnen und einem fragwürdigen Abkommen für den Austritt mit mittelmäßigen Lösungen vorzubeugen. Ob London diese Möglichkeit in Erwägung zieht und es letztlich zu einem weichen oder harten Brexit kommt, bleibt abzuwarten.